Im letzten Bericht habe ich über die respektlose Behandlung unseres Personals durch die Stiftungsleitung des Gunjaman Spitals berichtet. Zunächst wurde ich ziemlich unter Druck gesetzt, die Anweisungen des Präsidenten zu befolgen. Doch ich blieb hartnäckig und liess mir dies nicht gefallen. Deshalb besuchte ich dann auch weiterhin die beiden Gemeindespitäler, welche mich schon länger um Hilfe gebeten hatten. Das Komitee des Ratna Nagar Spitals bot mir an, dass „Shanti Med“ das Spital in eigener Regie übernehmen könnte. Inzwischen haben wir einen Business Plan ausgehandelt, welcher von der Regierung noch absegnet werden muss. Und die Chancen stehen sehr gut, dass die Regierung das auch tun wird.
Inzwischen hat offenbar der Präsident der Gunjaman Stiftung wohl Wind von unseren Verhandlungen erhalten und mir überraschenderweise auch angeboten, dass „Shanti Med“ das Gunjaman Spital in eigener Regie übernehmen könnte. Er und sein Sohn würden doch zu wenig Zeit haben, sich darum zu kümmern und sie verstünden auch zu wenig von Spital Management. Ich warte nun ab bis ich den schriftlichen Vertrag habe.
Auf jeden Fall haben wir jetzt zwei sehr gute Optionen und ich kann zurücklehnen bis sich die Nepali entschieden haben. Auch das andere Gemeindespital in Gaidakot habe ich mehrmals besucht und auch zweimal als Dermatologin dort gearbeitet. Nun hoffe ich, dass die deutsche Gynäkologin, die das Spital unterstützt, auch bei uns Spezialsprechstunden machen wird. Leider hat sich ihre Ankunft verzögert, aber wahrscheinlich werde ich sie kurz vor meiner Abreise noch treffen.
Wir haben hier nun endlich auch einen zweiten nepalesischen Arzt einstellen können, sodass ich mehr Freiraum für andere Kontakte habe. In der Bildmitte ist Dr. Novaraj, links Keshab, der Laborant, und rechts Surendra, der neue Apotheker. Unser Team ist jetzt sehr gut eingespielt und arbeitet für nepalesische Verhältnisse sehr fleissig. Die beiden erwähnten Gemeindespitäler haben mindestens doppelt so viel Angestellte für sogar weniger Patienten. Jeder macht dort nur gerade das, wofür er eingestellt ist. Gaidakot zum Beispiel hat eine alte Ambulanz und einen Chauffeur dazu. Aber für Notfalltransporte wird die Ambulanz kaum jemals gebraucht.
Diesmal habe ich mir auch ein paar Tage Zeit genommen, um einen Ausflug in die Provinz Bardia, ganz im Südwesten von Nepal zu machen. Dort leben die meisten Kamaiya, die „befreiten Leibeigenen“. Ihre ganzen Familien wurden durch die sogenannten Landlords zur Zwangsarbeit verpflichtet. Zwar wurde die Zwangsarbeit in Nepal 2002 endlich abgeschafft, doch obwohl die Kamaiya jetzt frei sind, sind sie ärmer als zuvor. Denn als Kamaiya erhielten sie und ihre meist kinderreiche Familie wenigstens regelmässig genügend Nahrung. Schon als Mädchen wurden früher die Kamaiyafrauen an Armen und Beinen grossflächig tätowiert, wie sie mir erzählten. Gottlob wird die sehr schmerhafte Prozedur heute etwas lockerer geregelt. Im Vortrag an unserer Jahresversammlung werde ich mehr über die Kamaiya berichten.
Seit heute arbeitet Dr. Ueli Guggisberg wieder als Volontär hier und so kann ich meine letzte Woche noch etwas ruhiger bei schon recht heissem Sommerwetter geniessen bevor ich in die immer noch kalte Schweiz zurückkehre.
Zehn Minuten vor der Landung in Kathmandu hat der Pilot gemeldet, dass wir wegen Nebel nicht landen könnten und nun nach Kalkutta weiterfliegen müssten. Nach über einer Stunde sind wir dort angekommen, mussten gut zwei Stunden warten und konnten dann gottlob wieder zurückfliegen und endlich in Nepal landen.
Schon zu Hause hatte ich beunruhigende Nachrichten erhalten und war gespannt, was mich erwarten würde. Anfangs Januar hatte unser Team einen Tag gestreikt – Notfälle wurden allerdings behandelt. Das Team war mit der letzten Lohnerhöhung nicht zufrieden. Streiks, auch in vielen Spitälern, sind hier das praktisch einzige Mittel, um Forderungen Nachdruck zu verleihen. "Shanti Med" hätte auch etwas mehr für die Lohnkosten bezahlen können, aber damit war die Stiftungsleitung nicht einverstanden. Die Mitarbeitenden dürften nicht verwöhnt werden, war ihr einziges Argument. Dann hat die Leitung der GMSMT (Gunjaman Singh Stiftung) in Einzelgesprächen den Namen des Anführers heraus gequetscht und diesen fristlos entlassen. Es war der etwas aufmüpfige Apotheker JB. Auch unsere gute Sekretärin und die Putzfrau wurden auf Ende Januar entlassen, weil sie es gewagt hatten, sich für JB einzusetzen, da der Streik ja gemeinsam im Team beschlossen worden war.
Sehr erbost über die Respektlosigkeit mit welcher hier "Untergebene" behandelt werden, aber auch über die Nacht- und Nebelaktion vor meiner Ankunft, war ich fest entschlossen dies nicht zu akzeptieren. Gottlob konnte ich wenigstens die beiden Frauen jetzt wieder einstellen. Ein neuer Apotheker war bereits da, er hat vorerst einen Arbeitsvertrag für drei Monate und arbeitet sehr gut. Immerhin läuft unsere Arbeit jetzt wieder in ruhigen Bahnen.
Dieser Vorfall hat bei mir jedoch das Fass zum Überlaufen gebracht. Da die GMSMT völlig vom Geld unseres Vereins und auch der Mitarbeit unserer VolontärInnen abhängig ist, habe ich nun ultimativ konkrete Verbesserungen bei den Mitarbeiterverträgen und Mitspracherecht beim Management gefordert. Längst bin ich nämlMusliich von mehreren kleinen Gemeindespitälern hier in Chitwan ebenfalls um Unterstützung angefragt worden. Sie alle haben mit Spenden aus der Bevölkerung zwar ein kleines Spital bauen können, doch das Wissen für ein gutes Funktionieren und das Geld für gut ausgebildete Angestellte fehlt. Dies ist leider eine weitverbreitete Tatsache und ein Grund für die schlechte Gesundheitsversorgung der Menschen in abgelegenen Regionen. Das Gemeindespital in Gaidakot zum Beispiel ist ganz neu, dank Hilfe einer Volontär-Gynäkologin aus Deutschland schon gut ausgerüstet mit "ausgemustertem" Spitalmaterial der deutschen Armee, doch fehlen auch hier gut ausgebildete Ärzte. Ich lasse mir nun Zeit zum genaueren Abklären verschiedener Möglichkeiten der Zusammenarbeit und schaue inzwischen, wie ich mit meinen Forderungen bei der GMSMT weiterkomme. Die ersten Diskussionen sind gut verlaufen, die Stiftungsleitung zeigt sich sehr kompromissbereit.
Das Geld für den Innenausbau des neuen Spitals ist zwar in Nepal angekommen, aber die Arbeit wurde noch nicht wieder aufgenommen. Da müssen offenbar noch verschiedene Behörden eine Unterschrift geben. Auch dies eine Geduldprobe.
Doch sonst geht es mir sehr gut, ich geniesse den warmen sonnigen Frühling hier, das frische lokale Gemüse und die guten Früchte. Und ich freue mich über die vielen zufriedenen PatientInnen und freundlichen Menschen. Besonders die grosse Muslim Gemeinde hier ist froh, hier eine Ärztin für ihre verschleierten Frauen zu haben.
Seit unserer Ankunft in Nepal vor einem Monat, die Monsunzeit war gerade vorbei, zeigt sich hier die Natur von ihrer üppigen Seite. Alles spriesst und am Zitrusbaum im Hotelgarten, welcher im Frühjahr voll von duftenden Blüten war, hängen nun grosse Pampelmusen wie Weihnachtskugeln. Und die goldgelben Reisfelder sind bald bereit für die Ernte. Besonders schön war ein Ausflug nach Kirtipur, einer der nahe Kathmandu gelegenen alten Königsstätte, wo die Musiker der RUDRA-Band, die im Sommer eine Tournee durch die Schweiz gemacht hatten, wohnen. Und sie zeigten uns das im Bau befindliche „Haus für Musik“, welches sie nun in dieser ruhigen, weiten Landschaft bauen.
Wie immer bei meiner Ankunft in Kathmandu habe ich zunächst auch meine besonderen Schützlinge von früher in Budhanilkantha besucht. Fünf Kinder einer Familie leiden dort an der vererbten Krankheit Xeroderma pigmentosum, welche schon im frühen Alter zu Hautkrebs führt, weil die Betroffenen keinen genügenden UV-Schutz in ihrer Haut haben. Sie brauchten dringend Medikamente, um die erneut aufgetretenen Vorstadien von Hautkrebs zu behandeln, sowie Sonnenschutzmittel. Wie immer war die Freude des Wiedersehens für uns alle gross und auch Purnima war da, welche sich inzwischen zu einer strahlenden jungen Frau entwickelt hat. Dank Stöcken kann sie trotz ihrer grossen Meningomyelozele etwas gehen.
Die ersten Wochen in unserem Zentrum im Süden waren recht anstrengend: Für Beatrice Baumgartner, die Kinderärztin, und Edith Brönnimann, die Röntgentechnikerin, war alles neu und sie brauchten Erklärungen über den Ablauf, über unsere Mitarbeitenden … . Und in den ersten Tagen kamen viele Patienten, welche auf unsere Ankunft gewartet hatten. Und wie immer zu Beginn mussten wir eine Generalreinigung unserer Räume machen und kaputte Sachen ersetzen.
Doch dann kamen auch schon in den ersten Tagen M. Mahesh und sein Team aus Kathmandu, unsere Partner für das Abfallprojekt. Unser Volontärhaus war überfüllt mit vier zusätzlichen BewohnerInnen. Zwei Nepalesinnen mussten gar auf dem Boden schlafen, doch das war für sie nichts Besonderes, schlafen doch hier viele Leute ihr ganzes Leben auf dem Boden. Dank dieser konstruktiven Zusammenarbeit können wir nun unser Spital-Abfallprogramm im ganzen Distrikt Chitwan ausweiten. Wir werden dabei unterstützt von der Organisation „Healthcare without Harm“ mit Sitz in England. Eine Projektleiterin dieser Organisation, Ruth Stringer, war ebenfalls mit angereist. Unser Spital soll zunächst Vorzeige-Modell und Informationszentrum für die umliegenden Gesundheitsposten sein. Der Gesundheitsminister aus Chitwan, ein Arzt, hat uns seine moralische Unterstützung zugesagt. Sein Wunsch ist es, dass später auch die Spitäler der Region mit einbezogen werden. Leider können wir vorerst nur den ersten Teil realisieren dank einer kleinen finanziellen Unterstützung von UNDEP (Development Project der UNO).
Bea und Edith haben sich schnell gut eingelebt und sind eine grosse Hilfe. Bea bleibt 3 Monate hier und Edith musste nach ihrem dreiwöchigen Einsatz vorgestern wieder an die Arbeit in die Schweiz zurückkehren. Sie hat sich intensiv unserem Röntgengehilfen angenommen und hoffentlich wird er das Gelernte nun auch weiterhin sorgfältig umsetze. Bea’s grosses Wissen und ihre lange Erfahrung ist natürlich vor allem für unseren kleinen Patienten sehr wertvoll. Sie hat aber auch viel Erfahrung in anderen Gebieten, etwa der Behandlung von unseren zahlreichen PatientInnen mit chronischem Asthma. Schon in den ersten Tagen hat sie sich zusammen mit unserem Dr. Ram Chandra auf dessen Motorrad in die entlegene Stadt Narayangadh aufgemacht, um ein neues Inhalationsgerät zu kaufen.
Im Moment ist gerade das grosse Dashain Fest, das etwa unseren Weihnachtstagen entspricht, ein Riesenrummel von Verwandtenbesuchen und Pilgerreisen zu nahen und fernen Tempeln. Wir geniessen ein paar Tage Ruhe. Junge Männer aus dem Dorf haben in unserer Nähe ein hohes „Ping“ aufgestellt, eine grosse Schaukel aus langen Bambusstangen. Fast den ganzen Tag vergnügen sich Kinder und Erwachsene darauf. Natürlich wurde ich auch zu einigen grossen Essen mit der Verwandtschaft unserer Mitarbeitenden eingeladen. Allerdings ist dies für mich eher etwas stressig: Essen unter der Beobachtung von mehr als 10 Augenpaaren, als einzige auf einem Stuhl platziert, die anderen essen im Schneidersitz am Boden. Und natürlich will die ganze Verwandtschaft in allen möglichen Kombinationen fotografiert werden. (Foto 11) Doch alles ist immer wieder voll Überraschungen und ich kann viel lernen über die Sitten und Menschen, auch von ihrem einfachen und zufriedenen Leben, trotz Armut.
Leider sind die Bauarbeiten zur Fertigstellung des neuen Spitals noch immer nicht wieder aufgenommen worden. Offenbar ist der neue Kredit aus Indien noch nicht eingetroffen. Es ist fast zum Verzweifeln. Immerhin ist nun bald das neu ausgebaute Zusatzzimmer neben unserer Tagesklinik fertig, sodass wir mehr Platz haben werden und auch einen zweiten nepalesischen Arzt anstellen können.